Interview mit Yurii Sljusar, i.V. Direktor des Museums „Steppen-Ukraine“

Zunächst möchte ich im Namen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Leitung des Historisch-Heimatkundlichen Museums Odesa all jene herzlich grüßen, die das Projekt „Virtuelles Museum der Schwarzmeerdeutschen“ unterstützen, diejenigen, die diese Idee ins Leben gerufen haben, die sie heute verwirklichen, und natürlich auch alle, die dieses Projekt mit Interesse und Sympathie begleiten.

Wir befinden uns hier in einer der Abteilungen des Museums, die den historischen Namen „Steppen-Ukraine“ trägt. Dieses Museum wurde neu gegründet, denn das ursprüngliche Museum „Steppen-Ukraine“ bestand nur kurze Zeit, damals, in den 1920er-Jahren, als überall in der Ukraine, auch in Odesa, Heimatkundekommissionen entstanden und mit großem Eifer ethnografisches Material sammelten.

Doch das Museum existierte nicht lange: Die Sowjetmacht erkannte sehr schnell, dass solche Initiativen nicht in ihre Pläne zum Aufbau der sogenannten „neuen Welt“ passten. Die Kommissionen wurden aufgelöst, das Museum geschlossen und seine Tätigkeit eingefroren.

Erst im unabhängigen Staat Ukraine wurde diese Idee wieder aufgegriffen. Gerade die national-kulturellen Vereinigungen spielten dabei eine große Rolle. Hier im Süden waren besonders die Gesellschaften sehr aktiv, die die – zahlenmäßig zwar kleine, aber äußerst engagierte – deutsche Gemeinschaft vereinten, die früher in unserer Region stark vertreten war. Obwohl sich die Ereignisse so tragisch entwickelt haben, dass diese Bevölkerung fast völlig verschwunden ist.

Die deutschen Kolonien sind leider als Phänomen im Feuer des Zweiten Weltkriegs verschwunden. Dabei hatte sie noch den Ersten Weltkrieg überstanden und auch jene schrecklichen sozialen Experimente, die insbesondere in der Ukraine stattfanden, von denen ich bereits sprach – den Aufbau einer sogenannten „neuen Welt“, der seltsamerweise zur Zerstörung des nationalen Bewusstseins und der gewachsenen Kulturen führen sollte.

Der ganzen Nationalitätenförderung, die man damals hier in die Praxis einzuführen versuchte, wurde sehr bald von der bolschewistischen Partei und den entsprechenden Machtstrukturen ein Ende gesetzt.

Der Zweite Weltkrieg führte schließlich dazu, dass diese Kolonisten auf die eine oder andere Weise, infolge der Repressionen, der Zwangsmaßnahmen oder der Umsiedlung, diesen Landstrich verließen. Geblieben sind nur die Kirchen, die Gutshöfe und – erstaunlicherweise – die Erinnerung, bewahrt von der örtlichen Bevölkerung.

Die Menschen erinnerten sich noch, wie in jenem Dorf einst Deutsche lebten, welch gute, stabile Wägen sie bauten, die selbst unsere Straßen aushielten: „Wir kauften dort solche Wägen, gaben Bestellungen auf, und im Gegenzug lieferten wir andere Waren.“

Das ist von großer Bedeutung, wenn Menschen verschiedener Nationalitäten zusammenarbeiten, gemeinsam tätig sind, um sich weiterzuentwickeln, um den Fortschritt und die Entwicklung der Zivilisation in dieser Region voranzubringen.

Gerade das Museum „Steppen-Ukraine“, das die Traditionen des historischen Museums fortsetzt, zeigt die Bedeutung der Kultur eines Volkes, seiner historischen Traditionen und die Wichtigkeit des gemeinsamen Einsatzes für den kulturellen Fortschritt.

Das vereint uns alle, auch jene Menschen in Deutschland und in den Nachbarländern der Ukraine, die sich für das Schicksal dieses kulturellen Erbes interessieren.

Das Virtuelle Museum der Schwarzmeerdeutschen wird von der Europäischen Union im Rahmen des Programms „House of Europe“ gefördert.




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